Verbale Gewalt im Netz ist ein zunehmendes Problem in der Gesellschaft. Gemeinsam mit der Axa bietet das Start-up Silenccio einen Schutz gegen die Bedrohung, Bloßstellung oder Belästigung im Netz. Die CEO von Silenccio, Katrin Sprenger, erklärt im Interview, warum ein rein defensiver Schutz nicht ausreicht, das Angebot auf andere Länder übertragbar ist und bewusst nicht in privaten Cyberräumen Anwendung findet.
VWheute: Ihr Produkt ist eine innovative Idee, erklären Sie unseren Lesern bitte kurz, was es tut, kann und wo die Grenzen liegen.
Katrin Sprenger: Unser Leben spielt sich immer mehr im Digitalen ab: Online Shopping, Vernetzung in den sozialen Medien, Online Banking – die Liste könnte unendlich fortgesetzt werden. Klassische Versicherungen decken diese digitalen Bereiche heute entweder gar nicht oder nur unzureichend ab. Die «Cyberversicherung Plus» der Axa schließt genau diese Lücke und bündelt zudem Prävention, Services, Rechtsschutz und Vermögensschutz in einem einzigen Produkt – eine Kombination, die in der Versicherungswelt bisher die Ausnahme bildet.
Unsere Silenccio-Services zur Prävention und Intervention decken die Bereiche Hacking von Online-Profilen, Online-Shopping, Phishing und Cybermobbing ab, also genau die Bereiche, in denen Endkunden besonders exponiert sind. Das automatische Monitoring im Präventionsbereich lässt uns Probleme frühzeitig erkennen und den Kunden warnen. Identifizieren wir beispielsweise eine Sicherheitslücke bei einem unserer Kunden, weil dessen Zugangsdaten Teil eines Datenlecks wurden, erhält er eine Push-Nachricht. Im Rahmen der Interventions-Services kümmern wir uns direkt im Namen des Kunden um die Lösung seiner Probleme. Beispielsweise indem wir Hasskommentare auf einer Online-Plattform löschen lassen oder nicht erfolgten Lieferungen aus Online-Shops nachgehen. Jeweils mit dem Ziel, den Kunden einerseits zu entlasten, und andererseits sowohl Rechtsstreitigkeiten als auch finanzielle Schäden bereits im Vorfeld zu verhindern.
Prävention hat aber auch ihre Grenzen. Wir sprechen hier zunächst von der Grenze der Privatsphäre. Als Beispiel können hier private Chatverläufe genannt werden, die wir gar nicht monitoren können und auch nicht wollen. Hinzu kommt, dass Prävention und Intervention nie gänzlich garantieren kann, dass es nicht doch zu einem Schaden kommt. Wo unsere Präventions- und Interventions-Services an ihre Grenzen stoßen, werden sie durch die Versicherungskomponente optimal ergänzt.
VWheute: Wird ihr Produkt nur in der Schweiz angeboten, wenn ja, warum; das Internet hat keine Landesgrenzen.
Katrin Sprenger: Ja, unser Produkt wird derzeit ausschließlich in der Schweiz angeboten. Wir arbeiten bereits an Lösungen für weitere europäische Märkte. Auch wenn unsere Software bereits in vier Sprachen verfügbar ist, sind vor dem Rollout in weitere Länder Versicherungsthemen und Fragen rund um den Vertrieb zu klären.
Was aber nicht heißt, dass unsere bestehenden Leistungen vor den Landesgrenzen haltmachen: Dem Datenleck einer internationalen Plattform nehmen wir uns ebenso an, wie einem Hasskommentar auf einer internationalen Newsseite.
VWheute: Die Kunden müssten ihnen die Tür einrennen, keine Kommentarspalte im Netz ohne Beleidigungen. Wie viele Kunden haben sie, wie ist die Combined Ratio und wie wollen Sie neue Kunden gewinnen?
Katrin Sprenger: Unser Produkt ist mit der Integration in die Hausratversicherung der Axa in ein etabliertes Produkt eingebettet. Wir sind mit den Resultaten der ersten Monate mehr als zufrieden und rechnen damit, dass diese Entwicklung so anhält. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass unser Produkt den aktuellen Zeitgeist anspricht und die Kundenbedürfnisse trifft.
VWheute: Das Produkt arbeitet nicht auf WhatsApp, Instagram und Tiktok, warum, und denken Sie darüber nach, das zu ändern? Wäre das technisch möglich?
Katrin Sprenger: Wir unterscheiden ganz klar zwischen privaten und nicht privaten Räumen im Internet. In die privaten Räume wie WhatsApp wollen wir nicht eintreten. Privat ist privat und das soll so bleiben. Für öffentlich zugängliche Daten sind wir laufend daran, neue Services einzubinden. Aus Orten, wo Kommunikation im privaten Raum stattfindet oder wir kein automatisiertes Monitoring anbieten, kann uns der Kunde Screenshots übergeben, um den Interventionsprozess zu starten.
VWheute: Wie wollen Sie ihr Produkt künftig verbessern, was haben sie noch im Köcher?
Katrin Sprenger: Wir sind bereits daran, unser Angebot auszubauen und werden voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres einen Service anbieten, der den Verkauf von Kreditkartendaten im Darknet überwacht und uns helfen wird, unsere Kunden vor finanziellen Schäden durch Kreditkartenmissbrauch zu schützen.
Die digitale Welt und die damit einhergehenden Gefahren ändern sich laufend. Wir bauen dort aus, wo es notwendig wird und im Hinblick auf Gefahren, die heute noch gar nicht bekannt sind. Als kleines Unternehmen sind wir schnell und flexibel und können neue Services innerhalb weniger Monate lancieren.
VWheute: Warum ist das Problem Cybermobbing medial kein größeres Thema?
Katrin Sprenger: Das Thema Cyberkriminalität im Allgemeinen ist unterrepräsentiert in den Medien, obwohl es unter anderem im Bereich Phishing zu sehr vielen Fällen kommt. Cybermobbing wird auf politischer und gesellschaftlicher Ebene immer spürbarer zum Thema und entsprechend deutlich häufiger medial aufgenommen als noch 2017, unserem Gründungsjahr. Eine durchaus positive Entwicklung, allerdings mit viel ungenutztem, medialem Potenzial. Eine stärkere Präsenz des Themas in den Medien könnte noch mehr Personen für das Thema sensibilisieren und schützen.
Die Fragen stellte VWheute-Reakteur Maximilian Volz.